lundi 1 février 2016

Ich habe euch aufgespielt, und ihr habt nicht getanzt!

Ich bekam einmal zu einem bestimmten Anlass einen wunderschönen Holzschnitt geschenkt. Er stellt eine Gruppe finsterer Gestalten dar, unbeweglich, lustlos, starr. Vor ihnen tanzt und spielt beschwingt ein Flötenspieler. Darunter mit Bleistift der Satz: Ich habe euch aufgespielt, und ihr habt nicht getanzt!
Das Bild sollte an das Gleichnis erinnern, das sowohl Lukas als auch Matthäus in ihren Evangelien überliefern (Lukas 7,31-35; Matthäus 11,17-19). Kinder möchten spielen und machen ihren Gespanen auch entsprechende Vorschläge: »Spielen wir doch Hochzeit!« , »Spielen wir doch Beerdigung!« Aber von den anderen Kindern kommt nie eine Reaktion; sie haben einfach keine Lust. Ihnen sind die Vorschläge zu uninteressant.
Hier und da regt mich dieses Bild zur abendlichen Gewissenserforschung an. Ich frage mich dann, wo und wann hat mir heute der Flötenspieler zum Tanzen aufgespielt? Und ich denke an ganz konkrete Gegebenheiten, bei denen ich ebenso abweisend und finster aus der Wäsche geguckt habe wie diese traurigen Gestalten auf dem Holzschnitt. Ich denke an die Nachbarin; ihr krebskranker Mann ist im Krankenhaus; aber wenn ich der in die Quere komme, lässt sie mich vor einer halben Stunde nicht wieder los. Oder ich denke an meinen Kollegen; er hat mich zum Apero eingeladen, aber seine immer gleichen Witze kann ich schon nicht mehr hören. Ich denke an die Obdachlose, die vor der Post ihre komischen Zeitschriften verkauft. Ich habe so getan, als ob ich die Zeitschrift schon längst hätte. Ich denke an die kleine Gruppe engagierter Leute, die mir zumutete, mit ihnen zusammen an die Demonstration für die Sans-Papier zu gehen... Jedes Mal kam von mir ein gelangweiltes Abwinken. Ich bemerkte nicht, dass es jedes Mal der Flötenspieler war, der mir zur Hochzeit aufspielte.
Dann aber gab es doch Momente, an denen ich mitgetanzt habe. Es waren die schönsten des Tages.
Was mir das Gleichnis sagen will? Vielleicht dieses: Spiel doch mit! Lass dich ein auf den Reigen! Geh mit zum Fest, wenn dich der Flötenspieler doch so liebevoll einlädt!
Denn die Zeit zum Feiern ist da.
Hermann-Josef Venetz

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