vendredi 4 septembre 2015

EIN BLICK AUF DIE ANFÄNGE DER KIRCHE (4)



Zur Freiheit verpflichtet
Es dürfte klar sein dass sich das Anliegen Jesu, wie es in der Jesusbewegung anfanghaft realisiert wurde, nicht 1 zu 1 auf die urchristlichen Gemeinden übertragen lässt. Wenn im Neuen Testament von Gemeinden wie Jerusalem oder Korinth oder Antiochien oder Ephesus oder Rom die Rede ist, sind das jeweils nur Momentaufnahmen. Jede Gemeinde musste ihren eigenen Weg entsprechend den dort ansässigen Gläubigen gehen, entsprechend der innergemeindlichen Gruppendynamik, entsprechend auch dem soziokulturellen und politischen Umfeld. Trotz der Verschiedenheiten lässt sich mit grosser Sicherheit folgendes sagen:
1. Die ideale christliche Kirche hat es nie gegeben. Darüber kann auch Lukas nicht hinwegtäuschen, wenn er in der Apostelgeschichte von der Gemeinde in Jerusalem sagt, die Menge der Gläubiggewordenen sei ein Herz und eine Seele gewesen (4,32). Lukas sah sich wohl deswegen veranlasst, in der Mitte der 80-er Jahre des ersten Jahrhunderts seinen Leserinnen und Lesern ein Idealbild der Anfänge vor Augen führen, weil die Zustände in den aktuellen Gemeinden eben alles andere als ideal waren. Dass in den Anfängen der Kirche in Jerusalem nicht alles zum besten stand, wissen wir übrigens von Lukas selbst, wenn wir seinen weiteren Ausführungen aufmerksam folgen.
2. Jesus hat seinen Jüngerinnen und Jüngern bezüglich der Organisation der Gemeinden keine konkreten Anweisungen  gegeben. Die Christen und Christinnen der ersten Generationen nahmen sich die Freiheit, Kirche so zu gestalten, wie es für die Erfordernisse ihrer Zeit wichtig und nötig war. Jede Generation hatte und hat selbst dafür zu sorgen, Kirche so zu gestalten, dass die Sache Jesu am besten zum Tragen kommt.
3. Verbindlich sind also nicht die Strukturen und die Titel und die Ämter und dergleichen; verbindlich ist die Freiheit, mit der wir für unsere Zeit nach Mitteln und Wegen suchen sollen, damit die Sache Jesu in unserer Welt Gestalt annehme.
4. Diesem Auftrag wird die Kirche nicht dadurch gerecht, dass sie überall auf der Welt ein einheitliches Kirchenmodell durchzusetzen versucht. Kirche, wenn sie wirklich Kirche für die Menschen und für die Welt von heute sein will, wird sich in den verschiedenen Kulturen je anders und je neu verleiblichen müssen, und sie wird keine Angst haben, dabei ihre Identität zu verlieren. Ihre Identität verlieren wird sie dann, wenn sie nur noch darauf aus ist, den Besitzstand zu wahren und zu bleiben, wie sie ist.
5. Die Freiheit, zu der uns der Geist befreit und zu der uns das Neue Testament verpflichtet, hat weder mit Willkür noch mit Beliebigkeit etwas zu tun; sie ist vielmehr jene kreative Freiheit, die sich nur im Glauben an den Messias Jesus und in der Auseinandersetzung mit der Welt heute und im Hoffen auf die endgültige Befreiung verwirklichen lässt.
Hermann-Josef Venetz


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