lundi 15 juin 2015

Nur ein Kind

 Segundo Domingo de Mayo

Der Evangelist Lukas erzählt in seinem Evangelium, ein Engel Gottes sei Hirten auf dem Felde erschienen und habe ihnen als grosse Freude mitgeteilt, in der Stadt Davids sei der Retter geboren, der Messias und Herr. Ungefragt habe der Engel ihnen auch ein Zeichen gegeben, woran sie diesen Retter und Herrn erkennen können: nicht ein besonderes Licht oder sonst irgendetwas Faszinierendes. Das Zeichen war dieses: ein Kind, in Windeln gewickelt und in einem Futtertrog liegend (Lukas 2,12). Das heisst, ein schwaches Geschöpf, ein Kind eben, in Windeln gewickelt, wie es solche Tausende gab. Der einzige Unterschied bestand darin, dass das Kind, um das es ging, in einem Futtertrog lag. Ob das aber angesichts der damals schon grassierenden und heute für viele zum Alltag gehörenden Obdach- und Heimatlosigkeit etwas Besonderes war?

Gewiss ist ein Kind, besonders ein neugeborenes, auch immer Zeichen eines Neuanfangs, Zeichen einer neuen Zukunft, einer neuen Hoffnung. Doch ist nicht zu vergessen, dass Kinder auch in der damaligen Zeit keineswegs immer willkommen waren. Bei Geschichtsschreibern und Poeten wurden sie im gleichen Atemzug mit den Sklaven und Frauen aufgezählt: ‚Frauen, Kinder, Sklaven’, so war die Reihenfolge der am untersten Rand der Gesellschaft angesiedelten Menschen.

 Rettung und Zukunft wird es auch 2000 Jahre danach nur geben, wenn Menschen auf dieses Zeichen achten. Überleben werden wir, die Gutsituierten, nur dann, wenn wir solidarisch werden mit dem Kind im Futtertrog, d.h. aber auch mit den Obdach- und Heimatlosen, mit den Hungernden und Ausgegrenzten.

 Hermann-Josef Venetz


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