mardi 16 décembre 2014

Warum?

 Lanzo Del Vasto
An die 20 mal steht im alttestamentlichen Psalterium, dem Gebetsbuch der Kirche, der fragende Ruf oder Aufschrei zu Gott: Warum..? Hier einige Beispiele:
Warum bleibst du so fern, verbirgst dich in Zeiten der Not? (Ps 10,1)
Warum hast du mich vergessen? (42,10)
Warum hast du mich verstossen? (43,2)
Warum verbirgst du dein Gesicht, vergisst unsere Not und Bedrängnis? (44,25)
Warum fragen wir, wenn etwas geschieht oder jemand etwas tut, das wir nicht erwarten, das wir nicht verstehen und uns ratlos und enttäuscht zurücklässt.
So ist es auch, wenn wir diese Frage betend oder klagend oder schreiend an Gott richten. Dieses Warum macht auch deutlich, dass Gott der ganz Andere ist, der Unfassbare.
Das Psalterium war auch das Gebetbuch Jesu. Ich bin überzeugt: Er hat dieses quälende Warum nicht einfach zur Seite geschoben oder beim Beten übersprungen; er hat sich in dieses Warum selbst hineingegeben. Die Evangelisten Markus und Matthäus scheuten sich nicht, Jesus am Kreuz den Anfang des 22. Psalm rufen zu lassen:
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Markus 15,34; Matthäus 27,46)
Gehört dieses Warum nicht zu unserem Menschsein? Zu unserer Beziehung zu Gott? Und gehört dieses Warum nicht auch zu den Beziehungen der Menschen untereinander?
Wenn alle Ereignisse, jedes Geschehen, jeder Mensch, jede Beziehung  klar und durchsichtig auf der Hand lägen, gäbe es keine Geheimnisse, keine Überraschungen und so auch kein Warum mehr. Die Welt und das Leben wären langweilig. Leben, das langweilig und ohne Überraschungen und ohne Geheimnisse ist, verdient den Namen Leben nicht. Unser Warum muss nicht Ausdruck unserer enttäuschten Erwartungen sein; es kann Ausdruck dafür werden, dass wir aufmerksam, achtsam und offen sein wollen für das, was das Leben mit uns vorhat. Das Warum als Ausdruck einer lebendigen Beziehung.
Hermann-Josef Venetz

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