samedi 17 mai 2014


Glasmalerei von Jacques Düblin In den letzten Jahren wird nicht nur im Geburts- und Wohnhaus, sondern bei den Gottesdiensten und Andachten im Ranft

Ein Gebet zum Nachdenken
Nach der Überlieferung soll Niklaus von Flüe folgende Verse täglich gebetet haben:

Mein Herr und mein Gott,
nimm alles mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
gib alles mir, was mich führet zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Viele Menschen haben bei diesem Gebet ein ungutes Gefühl. Gibt man denn Gott so nicht eine Art Blankovollmacht? Nimm alles von mir…, gib alles mir… Das könnte doch einmal ins Auge gehen.
Nun, ich meine, dass das zum Risiko des Glaubens und des Betens gehört. Die Frage ist die, ob wir Gott zutrauen, dass er wirklich nur das Beste von uns und für uns will.
Mein Problem liegt anderswo. Ich empfinde dieses Gebet zu aufwühlend – wenn es denn überhaupt ein Gebet ist.

Nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Bin ich so sicher, dass Gott mir nehmen will, was ich ihm nicht freiwillig gebe?
Und was ich ihm freiwillig gebe, bin ich denn so sicher, dass er das auch will?

Gib alles mir, was mich führet zu dir.
Bin ich so sicher, dass Gott mir gibt oder gar aufdrängt, was ich vielleicht gar nicht möchte?
Und wenn ich das entgegennehme, was er mir geben möchte, soll es mich dann wirklich ganz zu ihm führen?

Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.
Bin ich so sicher, dass Gott mich mir nehmen und so gewissermassen in Besitz nehmen will? 
 
Und wenn ich mich ihm gebe, sollte es dann nicht mein grösster Wunsch sein, dass ich ich bleibe und Gott Gott bleibt?

Das Gebet von Bruder Klaus ist vielleicht weniger ein Gebet als eine Einladung zum andauernden tiefen Zwiegespräch.

Hermann-Josef Venetz

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