samedi 28 décembre 2013

An der Krippe



In Familien – so sagt man – wird das ganze Jahr hindurch nie so laut und so heftig gestritten wie am Heiligen Abend. Zum Teil glaube ich das. Gerade wenn wir es ganz besonders gut machen und ganz besonders nett sein wollen, gelingt es uns am wenigsten.
Die Gestalten an der Krippe – so meinen wir wenigstens – helfen uns kaum über unser Malaise hinweg. Das Christkind, Maria und Josef: sie sind einfach eine Schuhnummer zu gross für uns; und mit so grossen Gestalten messen wollen wir uns lieber nicht. Auch diejenigen, die von aussen hinzukommen, taugen kaum als Vorbilder: die Engel, die Hirten, später dann die heiligen drei Könige in ihrer Feierlichkeit. In unserer Hilflosigkeit fragen wir uns: Gibt es denn niemand, der uns an der Krippe vertritt? niemand, mit dem wir uns identifizieren können? niemand, der in einer ähnlich störrischen Haltung ist wie wir?
Doch, es gibt sie, unsere Vertreter an der Krippe. In der biblischen Weihnachtsgeschichte werden sie war nicht erwähnt, aber sie fehlen bei keiner Krippe und bei keinem Krippenspiel: der Ochs und der Esel. Ich denke mir: Wenn die beiden da sind, hab auch ich noch Platz. Neben ihnen komme ich mir weniger verloren vor als neben den Engeln und neben Josef und Maria. Beim Ochsen und beim Esel falle ich auch nicht so auf. Da kann ich wie sie schweigen und glotzen, und niemand erwartet von mir, dass ich gescheite und fromme Dinge daher sage. Ich brauche nur da zu sein; mehr braucht es nicht.
Wie Ochs und Esel zur Krippe gefunden haben? Als vor vielen hundert Jahren eifrige Christinnen und Christen die Weihnachtsbotschaft hörten, erinnerten sie sich bei der Erwähnung der Krippe an den Propheten Jesaja. Er eröffnet seine prophetische Botschaft mit dem Bild der Krippe.
Himmel und Erde sollen hören, was Gott sagt:
»Ich habe Kinder aufgezogen; und jetzt, wo sie erwachsen sind, wollen sie nichts mehr von mir wissen.
Jeder Ochs kennt seinen Besitzer und jeder Esel die Futterkrippe seines Herrn;
mein Volk aber nimmt keine Vernunft an.« (Jesaja 1,2-3)

So deutlich und natürlich kann nur ein Prophet sprechen – oder der liebe Gott. Und ich nehme mir das so zu Herzen: Ich bin es, der noch dümmer ist als der Ochs und der Esel, noch störrischer, noch glotzender, noch blöder. Ich bin es, der trotz meines Erwachsenseins keine Vernunft annehmen will. Ich bin es, der nicht begreifen will, zu wem ich eigentlich gehöre.
Wenn ich bei einer Krippe den Ochs und den Esel stehen sehe, ist das für mich eine Gute Nachricht: wenn der Ochs und der Esel zur Krippe zurück finden, dann sollte das doch auch mir möglich sein. Ich brauche kein Engel zu sein, kein Hirte, kein heiliger Joseph und auch kein Weiser. Ich bin zwar immer noch glotzend und blöd und angeschlagen, aber ich bin da; und ich kann es mir wieder mal sagen lassen, zu wem ich gehöre. Und als Weihnachtsbotschaft höre ich das Kind ungefähr dieses sagen:
Du bist zwar ein störrischer Esel und ein dummer Ochse. Aber im Grunde genommen gehörst du eben doch zu mir. Und ich, ich will trotz allem dein, ja euer aller Gott sein und euch dazu bestimmen, Frieden und Gerechtigkeit und Freude der ganzen Welt sichtbar zu machen.
Hermann-Josef Venetz

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