samedi 5 octobre 2013

„Tu mir kein Wunder zulieb“





Diese Aussage steht in einem Gedicht von Rainer Maria Rilke, einer Art Gebet, das mit diesen Worten beginnt:
Alle, welche Dich suchen, versuchen Dich...“
Zu diesen Versuchungen, gehört eben auch diese, von Gott Wunder zu erwarten oder gar zu erbeten. Das Schlimme daran ist, dass wir dann Gott an diesen Wundern festmachen. Gott als Wunderwirker. Gott als der Allmächtige. Eine weit verbreitete Vorstellung. Die Vorstellung, dass Gott „über“ allem steht und zu jeder Zeit in die Geschicke der Welt und in Gesetze der Natur und in unser Leben eingreifen kann. Sind wir denn so sicher, dass Gott der Allmächtige sein will?

Rilkes Gedicht geht so weiter:
...Und die, so Dich finden,
Binden Dich an Bild und Gebärde.“
Das ist seit jeher die Art der Menschen – auch und gerade der Gott suchenden Menschen – Gott zu versuchen: dass sie sich von ihm ein Bild machen, dem er – bitteschön – entsprechen soll. Dass sie ihn an Wunder binden, die er auf ihre Bitte hin zu wirken hat. Dass sie ihn unter Kontrolle haben wollen und ihn in Tempeln und Kirchen einsperren. Dass er in allem der Stärkere, der Überlegene sein muss. Mit einer solchen Erwartungshaltung setzen wir Gott unter Druck. Ähnlich wie wir mit unseren Erwartungen unsere Mitmenschen und uns selbst unter Druck setzen.

Rilkes Gedicht geht so weiter:
Ich will von Dir keine Eitelkeit, die Dich beweist.“
Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass es nie gut herauskommt, wenn wir meinen, uns beweisen oder jemandem imponieren zu müssen. Bei Gott ist es ebenso: Er soll sich durch nichts beweisen. Er soll nicht imponieren. Er soll Er sein. Er soll sich uns gegenüber nicht anders geben als er ist.
Im Grunde genommen ist das die erste und so wohl auch die wichtigste Bitte des Vaterunsers: Dein Name werde geheiligt. Du mögest Du sein und Du bleiben. Und nicht der, den wir uns wünschen oder uns vorstellen.

Hermann-Josef Venetz

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