samedi 15 décembre 2012

Gefährliche Berufe


Es gibt Berufe oder auch Berufungen, die von den biblischen Schriftstellern besonders aufs Korn genommen werden. Dazu gehören vor allem die Hirten, die Lehrer und die Väter.
Der Prophet Jeremia schleudert den Hirten das erschreckende Wehe entgegen: Wehe den Hirten... Dazu muss man wissen, dass im Alten Orient und in der Bibel mit den Hirten der König gemeint war, die führenden Männer auch, Leute, die das Sagen hatten. Versprengt und auseinandergetrieben habt ihr meine Schafe und habt euch nicht um sie gekümmert... fährt der Jeremia-Text fort (Jer 23).
Auch die Lehrer kommen nicht gut weg. Matthäus legt Jesus diese Worte in den Mund: Ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen…, denn Lehrer ist nur einer: der Messias (Mt 23). Jakobus schreibt seinen Lesern ins Stammbuch: Nicht zu viele von euch sollten Lehrer der Gemeinde werden. Ihr wisst ja, dass wir Lehrer vor Gottes Gericht strenger beurteilt werden als die anderen (Jak 3).
Auch vom Vater-sein-Wollen sollten wir lieber die Finger lassen, denn nur einer ist euer Vater: der im Himmel (Mt 23).
Die Frage drängt sich auf, warum gerade diese drei »Berufe« einer so harten Kritik unterzogen werden. Den drei Berufen ist gemeinsam, dass sie sehr früh zu Bezeichnungen für kirchliche Ämter geworden sind – bis auf den heutigen Tag. Wir haben in der Kirche Hirten, ja sogar Ober-Hirten; wir haben in der Kirche Lehrer; es gibt kein wichtigeres Amt als das Lehr-Amt; und sehr früh gab es in den christlichen Gemeinden den Vater – heute gibt es sogar (noch) den »heiligen« Vater.
Gemeinsam ist den drei Berufen, dass sowohl der Hirt wie auch der Lehrer wie auch der Vater über denen steht, die ihnen anvertraut sind. Der Hirt steht auf einem erhöhten Platz, damit er die Übersicht behält. Der Lehrer sitzt oder steht an einem erhöhten Podium, von wo aus er alle sieht und damit alle ihn sehen können; er weiss ja auch immer alles besser als die anderen. Nicht anders der Vater, der nicht nur in der damaligen Zeit beinahe unumschränkte Herrschaft über die Familie ausübte.
Die biblische Kritik an Leuten, die fast naturgemäss über anderen stehen (wollen), ist verständlich. In ihrem feinen Gespür für das Gemeinschaftliche haben die biblischen Schriftsteller alles angeprangert, was die Gleichberechtigung und die wahre Geschwisterlichkeit beeinträchtigen könnte.

Hermann-Josef Venetz

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